Steffen Heitmann, der verhinderte Bundespräsident

Roman Herzog und wird gelobhudelt wie schon lange nicht mehr. Dabei bin ich auf einen interessanten Fakt gestoßen. Wiki sagt zu seiner Präsidentschaft:

Bei der Wahl des deutschen Bundespräsidenten 1994 trat Roman Herzog recht überraschend als Kandidat der CDU/CSU an, nachdem der ursprünglich nominierte Kandidat der Unionsparteien, der als ultrakonservativ geltende Steffen Heitmann, aufgrund von Äußerungen zur Rolle der Frau zurückgezogen worden war.

Interessant was hat der  Heitmann denn gesagt. Im Wiki erfährt man leider nur kryptisch:

1993 war Heitmann Wunschkandidat Helmut Kohls und der CDU für das Amt des Bundespräsidenten für die im Mai 1994 anstehende Wahl.[2] Nach umstrittenen Äußerungen – zur Rolle der Frau, zum Holocaust und über Ausländer –, die von Kritikern als ultrakonservativ oder sogar reaktionär angesehen wurden, verzichtete er am 25. November 1993 auf eine Kandidatur.

Faszinierend. Welch eine Verkürzung, der sich hier bedient wird um die Person zu diskreditieren. Welch schlimmer Mensch wäre damals wohl Bundespräsident geworden? Ein Zeit-Artikel von 1993 gibt Aufschluß:

Die Idee eines „europäischen Bürgers“ nennt Herr Heitmann „intellektuelle Spinnerei“. Der Nationalstaat bleibt in seinen Augen zentral, während der Vertrag von Maastricht „von oben verordnet“ wurde und nicht als „das Resultat einer großen Debatte über die Einheit Europas betrachtet werden kann“. Vom „europäischen Bundesstaat“ reden, laut Heitmann, „ja nur noch wenige“.

Das passte der EU-verliebten CDU nicht in den Kram. Man muß sich den Artikel von 1993 wirklich zu gemüte führen, wie dumm die Zeit und die CDU bereits schon damals waren. Einzig Heitmann scheint noch klar im Kopf zu sein. Eine Kostprobe:

Im Gegensatz zu Steffen Heitmann hat der Bundeskanzler erkannt, daß mit der europäischen Einigung nur nachvollzogen wird, was in der realen Welt längst geschehen ist. Der Nationalstaat ist zu klein geworden, um mit den globalen Herausforderungen unserer Zeit fertig zu werden.

Dann arbeiten wir mal fleissig ab.
Seine böse Frauenäußerung:

Steffen Heitmann dagegen glaubt, daß „unsere seit Jahrtausenden männlich bestimmten Strukturen“ nicht einfach von Frauen ausgefüllt werden können und fordert, „die Mutterschaft wieder ins Zentrum der Gesellschaft zu rücken“.

Seine bösen Ausländeräußerungen:

Problematisch sind ferner die Äußerungen Steffen Heitmanns zum Thema Ausländer. Bei einem Besuch in Stuttgart im Jahre 1990 überfielen Herrn Heitmann angesichts der vielen Ausländer Zweifel, ob er „überhaupt noch zu Hause“ sei. Drei Jahre später „steht“ er zu seiner damaligen Klage hinsichtlich der „Überfremdung“. Inzwischen habe er sich aber „auch daran gewöhnt“. Es müsse möglich sein, „solche Empfindungen auszudrücken, wenn sie nicht abseitig sind“.

Anno 2017  klingt es wie Hohn wenn in der Zeit steht:

Herr Heitmann will in der Ausländerdebatte wie bei den Themen Frauen und Nazivergangenheit „dem Normalbürger eine Stimme“ geben. Das gesunde Volksempfinden wird beschworen – sicher nicht in böser Absicht. Aber sind wir so nicht schon einmal auf Abwege geraten? Der Bundeskanzler redet und handelt deutlich anders.

Während Kohl also ein Weichei ist…

Steffen Heitmann spricht eine andere Sprache. Bei ihm ist nicht sachlich „von der wachsenden Zahl von Asylbewerbern“ die Rede, sondern von einer „unkontrollierten Asylantenschwemme“, die der sächsische Minister für die Wohnungsnot verantwortlich macht. Die Hemmschwellen gegen ausländerfeindliche Sprüche werden auf diese Weise – sicher ungewollt – gesenkt. Steffen Heitmann hat das Wort von der „Überfremdung“ salonfähig gemacht.

Ach ja der Holocaust. Ja da war er auch ganz böse:

Dann aber fordert er, die Geschichte nicht dauernd als „Monstranz“ vor uns her zu tragen und auch bei diesem Thema „Tabus“ aufzubrechen. Die Nazizeit dürfe keine „Dauerhypothek“ sein, eine „Sonderrolle“ Deutschlands dürfe nicht bis an das Ende der Geschichte abgeleitet werden, vielmehr sei mit der deutschen Einheit der Zeitpunkt gekommen, dieses Ereignis endlich „einzuordnen“. Zwar sei der Tod von Millionen Juden in Gaskammern „einmalig“, aber: „Es gibt viele einmalige historische Vorgänge. Wiederholung gibt es in der Geschichte ohnehin nicht.“ Damit wird die Singularität des Holocaust banalisiert.

Quelle: h$$p://www.zeit.de/1993/41/der-falsche-mann-das-falsche-signal

Also ich hätte ihn gewählt. Nur ist der Mann der beinahe Bundespräsident geworden leider nicht mehr Politiker, denn:

Während der Flüchtlingskrise in Europa 2015 schrieb Heitmann Ende November einen offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel und trat aus Protest gegen ihre Flüchtlingspolitik aus der CDU aus. In dem Schreiben machte er die Kanzlerin für einen „unkontrollierten Flüchtlingsstrom“ verantwortlich und erklärte: „Ich habe mich noch nie – nicht einmal in der DDR – so fremd in meinem Land gefühlt.“

 

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